Die Preisbereitschaft der Kunden ist die wichtigste Determinante im Pricing-Prozess. Gleichzeitig ist sie aber auch die, die in der Praxis am schwierigsten zu bestimmen ist. Während sich in der Theorie gewinnoptimale Preise rechnerisch auf Basis von Preisabsatzfunktionen ermitteln lassen, bereitet die Ermittlung der Zahlungsbereitschaften in der Praxis meist erhebliche Probleme.
Erwartungen und Vorstellungen der Kunden sind in aller Regel dynamisch, vielschichtig und häufig irrational. In der Marktforschung wird daher versucht, mit Methoden der Präferenzmessung und der multivariaten Analyse komplexe Entscheidungsstrukturen realitätsnah abzubilden und heterogene Kundengruppen statistisch aufzulösen.
Trotzdem bleibt es schwierig, reale Kaufentscheidungen der Kunden zutreffend abzubilden und inhärente Verfälschungstendenzen bei Preisangaben zu neutralisieren. So sind beispielsweise der Vorstellungskraft potenzieller Nutzer insbesondere bei der Beurteilung von technischen Neuerungen enge Grenzen gesetzt.
Praxisbeispiel
Während der Entwicklung neuartiger Navigationsdienste für Autofahrer wurden Mitte der 90er Jahre umfangreiche und methodisch unterschiedliche Befragungen zur erwarteten Nutzung und der damit verbundenen Zahlungsbereitschaften durchgeführt. Dabei wurde in allen Untersuchungen die tatsächliche Nutzungshäufigkeit von den Befragten weit überschätzt. Im Vertrauen auf diese Marktstudien offerierten mehrere Anbieter nutzungsbasierte Preismodelle und scheiterten damit.
Trotz intensiver Bemühungen ist es der Preisforschung bis heute nur unzulänglich gelungen, diese methodischen Herausforderungen zu meistern. Es bleibt also gefährlich, Preisentscheidungen direkt und ausschließlich aus Ergebnissen von Kundenbefragungen abzuleiten. Das bedeutet aber keineswegs, dass auf Marktforschung verzichtet werden sollte. Richtig umgesetzt bildet sie einen wesentlichen Beitrag zur Abschätzung der Kundenpräferenzen und zur Objektivierung der Expertenmeinungen im eigenen Unternehmen.
Praxis-Tipp
Ziehen Sie zur Konzeption und Durchführung von Kundenbefragungen Marktforschungsexperten hinzu. Lassen Sie sich die Methodiken und deren Schwächen genau erklären und überlegen Sie, wie Sie die sich daraus ergebenden Risiken abfedern können. Falsch durchgeführte Studien können zu folgenschweren Fehleinschätzungen führen!
Ungeachtet aller Schwierigkeiten gibt es diverse Möglichkeiten, die Preiselastizitäten der Nachfrage mit vertretbarem Aufwand und in überschaubarer Zeit abzuschätzen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei vielfach in der Kombination mehrerer Methoden und der Nutzung bereits vorhandenen Wissens. Das gleiche Problem wird dadurch von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und es besteht eine sehr gute Chance, methodische Fehler der einzelnen Verfahren aufzudecken und auszugleichen:
Expertenbefragung: Expertenrunden können sich sowohl aus internen Spezialisten der unterschiedlichen Unternehmensbereiche (Marketing, Kundenbetreuung, Vertrieb, Technik etc.) sowie aus externen Teilnehmern (Händler, Verbände, Berater, Lieferanten etc.) zusammensetzen. So wird viel Fachwissen versammelt und eine hohe Objektivität erreicht. Obwohl dabei die Kundenperspektive nur wenig Berücksichtigung findet, bilden Expertenrunden oft einen guten Ausgangspunkt für die weiteren Analysen.
Eine Spezialform der Expertenbefragung ist die Delphi Methode. Bei Ihr wird durch einen vorgegebenen rundenbasierten Ablauf ein Konsens zwischen den Beteiligten hergestellt. Die Zwischenergebnisse werden jeweils nur anonym weitergegeben um gegenseitige Beeinflussung zu minimieren. Die Wirksamkeit der Delphi Methode ist allerdings umstritten.
Vertriebsmitarbeiterbefragung: erfahrene Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt haben ein gutes Gespür für die Wünsche und die Reaktionen „ihrer“ Kunden. Vorsicht vor subjektiv gefärbten Einschätzungen ist jedoch geboten! Müssen Verkäufer beispielsweise befürchten, bei einer allzu positiven Nachfrageprognose einem gesteigerten Erfolgsdruck ausgesetzt zu werden, so werden sie die Folgen der zu beurteilenden Preismaßnahmen eher pessimistisch bewerten.
Marktdatenanalyse: Marktdaten leisten insbesondere bei etablierten Produkten häufig einen wichtigen Beitrag zur Preisbildung. Oft liegen die entsprechenden Informationen bereits im Unternehmen vor oder können kurzfristig extern beschafft werden. Obgleich die Analyse dieser Daten Aufschluss darüber geben kann, wie Konsumenten in der Vergangenheit auf Preisänderungen reagiert haben, ist dabei allerdings zu beachten, dass die Ableitung von Prognosen aufgrund historischer Daten nur sehr bedingt möglich ist.
Kundenbefragung: Bei der Preisbildung im Rahmen von Produkteinführungen hat sich in den letzten Jahren insbesondere die Conjoint-Analyse etabliert. Diese Methode bietet den Vorteil, dass sich damit der Nutzen einzelner Produktkomponenten ermitteln und in Zahlungsbereitschaften übersetzen lässt. Direkte, klassische Kundenbefragungen sind im Vergleich zur Conjoint Analyse deutlich preisgünstiger, jedoch nur für einfache Fragestellungen geeignet.
Preistests: Indem man bestimmte Produkte in Testmärkten zu unterschiedlichen Preisen anbietet lässt sich das reale Kaufverhalten am zuverlässigsten ermitteln. Es müssen dabei allerdings zeitliche und lokale Einflussfaktoren ausreichend berücksichtigt werden. Das macht Preistests oft zeitaufwendig und teuer. Außerdem sind Preistests nur für bereits existierende Produkte anwendbar.