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Preis und Kannibalisierung im Sortiment

Kannibalisierung vermeiden, Synergien nutzen

Die meisten Unternehmen bieten Ihren Kunden eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte und Leistungen an. Dabei umfasst das Sortiment häufig mehrere Produkte die auf das gleiche Kundenbedürfnis abzielen und ähnliche Zielgruppen adressieren. Es wird dann versucht über Produkt- oder Preisdifferenzierung Angebote auf jeweils unterschiedliche Kundensegmente zuzuschneiden. Dabei besteht die Gefahr, dass sich Produkte gegenseitigen kannibalisieren.

Kannibalisierung vermeiden

Aus preispolitischer Sicht bezeichnet Kannibalisierung den Effekt der dann eintritt, wenn man sein eigenes Produkt durch Niedrigpreise mit sich selbst in Konkurrenz setzt. Dies kann folgendermaßen geschehen:

Gleichzeitige Schaffung einer Billig- und einer Premiumpreislinie ohne ausreichende Qualitäts- oder Ausstattungsunterschiede. Verkäufe des Billigproduktes gehen zu Lasten der höheren Deckungsbeiträge beim Premiumangebot (z.B. weiße Ware bei Discountern „frisst“ den Absatz des entsprechenden Markenartikels).

Misslungene Preisdifferenzierung kann dazu führen, dass ein bestimmtes Produkt zu unterschiedlichen Preisen angeboten wird ohne dabei unterschiedliche Zahlungsbereitschaften abzuschöpfen (z.B. tagesaktuelle Preise bei Reisebuchungen können „Premiumkunden“ zu „Schnäppchenjägern“ werden lassen).

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Die Einführung von neuen Produkten und die Differenzierung von Preisen führen in der Regel zu Wanderungsbewegungen. Das neue Produkt erobert einerseits Marktanteile von Konkurrenten und erschließt neue Kundengruppen. Andererseits wandert ein Teil der bestehenden Kunden von einem bereits eingeführten eigenen Produkt zum neu angebotenen ab.

Beispiel

Ein Telekommunikationsanbieter führt ein neues preisgünstiges Tarifmodell für Privatkunden ein. Er wirbt dadurch Kunden von Wettbewerbern ab und erwirtschaftet damit Zusatzumsätze. Gleichzeitig wechselt ein Teil der bereits bestehenden Kunden in den günstigeren Tarif. Hierdurch fallen Deckungsbeiträge weg. Die Preisdifferenzierung ist nur dann erfolgreich wenn die mehr erzielten Deckungsbeiträge die Kannibalisierungsnachteile überwiegen.

Preisdifferenzierung und Preisbündelung stellen starke Instrumente zur Abschöpfung unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften bei verschiedenen Kundengruppen dar. Systematische Untersuchungen und eine klar definierte Strategie sind dabei allerdings Grundvoraussetzungen für den Erfolg. Bevor Sie entscheiden ob Sie differenzierte Preise anbieten wollen und wie Sie diese ausgestalten, sollten Sie die folgenden Aspekte beachten:

Den Kunden verstehen: Wie werden die Kaufentscheidungen durch die neue Preissetzung beeinflusst? Sind die Kundengruppen die durch die differenzierten Preise angesprochen werden sollen ausreichend heterogen? Messen die Kunden den unterschiedlich bepreisten Leistungen auch unterschiedliche Werte bei? Welche Wanderungsbewegungen sind zu erwarten?

Die Preisstrategie überprüfen: Ist das angestrebte Preisspektrum noch mit der übergreifenden Wettbewerbsstrategie konform?

Preiskommunikation entwickeln: Ist sichergestellt, dass die unterschiedlichen Produkt-Preis-Kombinationen an die richtigen Zielgruppen kommuniziert werden? Welche zusätzlichen Maßnahmen können eine ungewollte Überlappung vermeiden?

Die Auswirkungen simulieren: Wie wirken sich die erwarteten Absätze auf die Gesamtdeckungsbeiträge aus? Wie sensibel reagiert diese Kalkulation auf unerwartet hohe Wanderungsbewegungen innerhalb des Sortiments?

Alternativen untersuchen: Gibt es andere Maßnahmen, die das Risiko von Preiserosion oder starker Kannibalisierung abmildern können (z.B. Preisbündelung).

Synergien nutzen

Die Produkte eines Unternehmens beeinflussen sich auf vielfältige Art und Weise. Preisentscheidungen für einzelne Leistungen haben Auswirkungen auf den Erfolg anderer Produkte. Dieser Einfluss muss aber nicht (wie bei der Kannibalisierung) negativ sein. So kann es durchaus von Vorteil sein, ein breites Sortiment anzubieten, welches für viele Kundengruppen Angebote beinhaltet, auch wenn diese teilweise miteinander im Wettbewerb stehen. Es besteht die Chance auf positive Verbundeffekte die am Beispiel eines Automobilherstellers schnell sichtbar werden:

Nachfrageverbünde: Kernprodukt und Zubehör stehen in komplementärer Beziehung. Sinkt beispielsweise der Preis für das Grundmodell eines Autos, steigt das Budget der Kunden für Sonderausstattungen. Verändert sich die Nachfrage des einen Produktes bei Preisänderung eines alternativen Produktes spricht man von einer substituierenden Beziehung (z.B. Kleinwagenabsatz steigt wenn sich das Mittelklasseprodukt verteuert).

Imageverbünde: Das Preisimage der Oberklassefahrzeuge von Premium-Herstellern wie BMW oder Mercedes strahlt auf das gesamte Produktsortiment und somit auch auf die kleineren Modelle aus. Das macht es den Premium-Anbietern möglich, für ihre Kleinwagenserien die überdurchschnittlichen Zahlungsbereitschaften in ihrem Kundensegment abzuschöpfen. Allerdings beziehen stark preissensible Kunden diese Angebote in der Regel nicht in Ihre engere Auswahl mit ein.

Kostenverbünde: Die Verflechtungen zwischen unterschiedlichen Produkten im Sortiment haben nicht nur Auswirkungen auf das Nachfrageverhalten der Kunden sondern auch auf die eigene Kostenstruktur. Viele Autobauer verfolgen aus diesem Grund eine Plattformstrategie, die es Ihnen ermöglicht, mehrere Fahrzeuglinien auf demselben Chassis basierend herzustellen. In diesen Fällen wirken sich dann Absatzveränderungen bei einem Modell auf die gesamten Einkaufs- bzw. Produktionsmengen und somit auch auf die gesamten Kosten der anderen Modelle aus.

Einkaufsverbünde: Im Einzelhandel ist „One-Stop-Shopping“ bereits seit längerem ein wichtiges Konzept. Aber auch im Automobilbereich setzen sich Einkaufsverbünde zunehmend durch. So ist es heute bereits üblich, bei der Auswahl eines Autos, gleichzeitig Finanzierungsangebote, Versicherungen und andere automobilnahe Services anzufragen. Die Preispolitik dieser Komponenten muss dabei aufeinander abgestimmt werden. Ein attraktiver Zinssatz beim Leasing-Angebot gibt beispielsweise nicht selten den Ausschlag für die Kaufentscheidung des Kunden.

Die große Bedeutung von Verbundeffekten macht es oft notwendig, kalkulatorisch für einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Produkten des Sortiments zu sorgen. So müssen häufig Produkte mit höheren Margen solche subventionieren die aufgrund der Wettbewerbssituation keine oder nur geringere Deckungsbeiträge erwirtschaften können. Sowohl bei der Zuweisung von Gemeinkosten als auch bei der Preiskalkulation sollte in solchen Fällen anstatt dem Verursacherprinzip das Tragfähigkeitsprinzip Anwendung finden. Man spricht in diesem Zusammenhang von preispolitischem Ausgleich. Dieser Ausgleich ist insbesondere bei Eckartikeln (z.B. Butter und Milch im Supermarkt) nötig. Diese werde von Kunden besonders intensiv verglichen und somit als Indikator für die Preiswürdigkeit des Gesamtsortiments angesehen. Um ausreichende Margen im Gesamtsortiment zu erwirtschaften, werden Waren deren Preise weniger im Fokus stehen zum Ausgleich höher bepreist.